Jetzt hat uns seit eingen Wochen der stinknormale Alltag wieder. Es kommt mir schon beinahe schon so vor, als wäre es Monate her, dass wir die Alpen überquert haben - dabei ist es gerade mal 6 Wochen her. Wir haben unsere Erlebnisse schon unzählige Male erzählt, Fotos gezeigt und hatten ausreichend Zeit die Eindrücke zu verarbeiten. Allerhöchste Zeit ein persönliches Resüme zu ziehen.

Hat sich die gesamte Aktion übehaupt gelohnt? Auf jeden Fall. Die Eindrücke waren so stark, dass ich sie mir immer wieder hervorholen kann. Kurz vor dem Einschlafen tauchen auch immer wieder Bilder vom Cross vor meinen Augen auf. Die Tour hat das Vetrauen in sich selber und in das eigene Fahrkönnen immens gestärkt. Abfahrten, die man vorher lieber geschoben hat, werden auf einmal easy. Es stellt sich ein Gefühl ein, dass man viel mehr schaffen kann, als man sich anfänglich zutraut - man muss halt fest daran glauben.

forcelinaDiMontozzo
Der letzte schwere Pass am Forcelina Di Montozzo

Mussten wir dafür intensiv trainieren? Ich hatte bis zum Schluss die Befürchtung, dass wir nicht genug trainiert haben. Vor dem Alpencross hatten wir in diesem Jahr ca. 2500 Kilometer und 12 000 Höhenmeter zurück gelegt. Davon über 1500km auf dem Weg in  die Arbeit (ohne nennenswerte Höhenmeter) und lediglich 1000km im Gelände. Unser einziges Höhentraining haben wir im Schwarzwald absolviert. Wir sind mit diesem Pensum drüber gekommen. Die Grundlagenausdauer hat gepasst. An der Kraft und Bergausdauer hätten wir aber definitiv noch arbeiten müssen..

Wäre es mit anderen Bikes noch besser gewesen? Hmm - die Fachzeitschriften sugerrieren zwar, dass man nur noch mit Fullys, die 140mm Federweg und 200er Bremsscheiben haben, einen Alpencross wagen sollte, aber das ist Quatsch. Derartige Räder spielen ihren Vorteil höchstens bei technischen Abfahrten aus. Aber beim Alpencross sind maximal 10% schwierige Abfahren. Der Haupanteil sind leichtere Schotter- und Asphaltabfahrten. Und nicht zu vergessen, es geht noch häufiger bergauf, auch mal schiebend oder tragend. Da freut man sich eher über ein Rad, das beim Fahren nicht wippt und beim Tragen so leicht wie möglich ist. Wenn man die Wahl zwischen Fully und Hardtail hat, sollte man aber lieber das Fully nehmen. Mit einem Hardtail kommt man aber sicher auch über die Alpen..

Muss man das Fahren mit dem Rucksack extra trainieren? Nachdem ich festgestellt habe, dass mein gepackter Rucksack knapp über 7 Kilo wiegt (trotz leichter Funktionsklamotten), sollte man das Zusatzgewicht nicht unterschätzen. Wir haben dafür jedoch keine Extra-Trainingseinheiten eingeschoben. Da wir jeden Tag mit einem 4 - 5 Kilo Rucksack in die Arbeit fahren und auch fast alle anderen Touren mit Trink-Rucksack absolvieren, waren unsere Rücken an diese Belastung gewöhnt. So hatten wir mit den Rucksäcken keine Schwierigkeiten. Für wen Fahrten mit Rucksack jedoch ungewohnt sind, sollte auf alle Fälle Fahrten mit Rucksack in seinen Trainingsplan mit aufnehmen.

Wie gut muss man sich vorbereiten? Wir haben unterwegs ein Paar getroffen, das weder Karten, noch GPS dabei hatte und auch werkzeuchtechnisch eher unbedarft war. Eher ein fragwürdiges Vorgehen. Ich habe mich fast 3 Monate recht intensiv mit dem Thema beschäftigt. Wir hatten zwar keine einzige Panne - aber im Falle eines Falles hätten wir beinahe jede Repparatur durchführen können. Ich kannte die alternativen Routen für schlechtes Wetter, hatte Telefonnummern vieler Hotels an der Strecke dabei. Auch wettertechnisch hatten wir zwar Glück, aber unsere Ausrüstung war zwischen 30 Grad plus und 0 Grad einsatzbereit.

Was würden wir beim nächsten Mal anders (besser) machen? Für die langen Bergauffahrten ist der "runde Tritt" unerläßlich. An dem müssten wir noch arbeiten. Genauso ist unsere Kraftausdauer noch nicht optimal. Am Sonntag loszufahren war auch nicht die beste Entscheidung - zumindest nicht auf der Albrecht-Route. So waren viele Hotels bereits ausgebucht und bei den Abfahrten gab es Stau, oder riskante Überholversuche. Ein Start am Anfang der Woche auf einer weniger bekannten Route könnte man dies vermeiden

Worauf kommt es wirklich an? 1. Nimm nur Leute mit, mit denen du gerne zusammen fähst. Ein gemeinsames Leiden ist nur ein halbes Leiden. 2. Fahr als Team und nicht als Einzelkämpfer. Wer alleine den Berg hochstrampelt, wird daran keinen Gefallen finden. Deswegen habe ich darauf geachtet, dass nie mehr als einige 100m Abstand zwischen uns waren. 3. Fahr dein Tempo (d.h. das Tempo des langsamsten Fahrers der Gruppe). Wir waren zwar langsamer unterwegs als alle anderen Gruppen, aber dafür nie am Limit.

War das der letze Alpencross? Unterwegs war sich Chrissi noch unsicher, ob die Erlebnisse die Anstrengungen aufwiegen können. Aber spätestens nach unserem Ruhetag am Gardasee war der Virus wieder da. Daher gilt auch für uns die häufige Alpencrosser-Weißheit:

"Nach dem Cross ist vor dem Cross"

D.h. irgendwann beginnen die Planungen für den AlpenX 2010.

Ein Kommentar

  • Nachdem ich immer wieder, wenn Roman mal nicht hinhört gefragt werde, wie anstrengend es denn nun WIRKLICH war, und ob sich denn jetzt der ganze Stress WIRKLICH rentiert hat vielleicht an der Stelle auch noch ein paar Worte von mir.

    Wie Roman schon geschrieben hat war ich mir direkt bei unserer Ankunft nicht ganz sicher, ob die Rechnung Stress / Erlebnis wirklich für mich aufgeht. Sport ist für mich eigentlich eher wegen des Gruppenereignisses cool, daher freu ich mich immer sehr, dass ich hinter Roman durch die Gegend kurven darf und wir hier so viel zusammen erleben können. Aber ich wär nie auf so eine verrückte Idee gekommen, und selbst wenn ist Trainingspläne zu machen, oder Alpencrosse zu planen eher nicht so meins (da leg ich mich dann doch eher ans Meer ;-)).

    Folglich hat sich mein Umfeld auch immer etwas Sorgen gemacht, ob ich in meinem Herdentrieb mich mit dem Cross nicht doch selbst überfordere - hinterhertraben (bzw. -fahren) ist gut und schön, aber über die ALPEN?! Und auch ich hab mich in der Vorbereitung ein paar Mal ernsthaft gefragt, ob ICH das wirklich will. Aber irgendwann stand ich dann halt doch in Garmisch.

    Schon der zweite Tag war krasser als alles, was ich jemals gefahren bin, und die Anstrengung und das Pensum hat sich täglich gesteigert. Ich erinnere mich, dass ich am vierten Tag morgens irgendwann keuchend dastand und mir überlegt habe, dass das nicht nur das heftigste ist, was ich je gemacht hab, sondern dass in einem Meter nach meinem jetzigen Standpunkt noch heftiger gewesen sein wird. Und ein Meter später noch heftiger. Und das immmmer weiter, die nächsten 6 Std, die nächsten 3,5 Tage. Und dann bin ich weitergelaufen (fahren war da nimmer ;-)).

    Heute weiß ich deshalb aber, dass jeder Berg einmal aufhört. Dass am fünften Tag die Muskeln plötzlich nicht mehr so weh tun (ok, vielleicht auch wg. der lustigen italienischen Masseurin). Dass das Gefühl, anzukommen und es geschafft zu haben unterm Strich einfach ALLES in den Schatten stellt (spätestens wenn man mal Zeit zum Nachdenken hat). Ich weiß, was ich am Roman habe, der sich um meine körperliche und seelische Fitness gekümmert und mir das so ermöglicht hat. Aber ich weiß auch, dass ich dann doch irgendwie eigentlich selber über die Alpen wollte - denn wer das nicht SELBER will kommt nicht an. Und ich bin mir sicher, dass ich dieses Gefühl und dieses Erlebnis nicht nur für den Alpencross 2010 gebrauchen kann ;-)).