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Die grüne Grenze zu den Schweizer Eidgenossen

Der Kampf mit dem Schweinehund

Nach einem rustikalen Frühstück, das es auf der Bodenalpe bereits um 7 Uhr gibt, machen wir und geschätzte 100 andere Biker uns auf den Weg. Heute kommen wir um 8:15 los (weil ich meine Trinkflaschen im Ski-keller stehen lasse) - ein sehr guter Wert. Die Biker-Karavane zieht einen gemütlichen Schotterweg zur Heidelberger Hütte hoch. Vorbei an Kühen, Pferden und Murmeltieren, die wir zwar immer wieder hören, jedoch nie zu Gesicht bekommen. Der Anstieg ist nicht zu steil, eignet sich daher hervorragend zum Warmfahren der Beinmuskulatur.

Irgendwann passieren wir ein eher unscheinbares Schildchen, das uns den Grenzübertritt in die Schweiz bescheinigt. Ab der Heidelberger Hütte beginnt der Aufstieg zum Fimber-Pass. An Fahren ist gar nicht zu denken - es wird wieder geschoben und getragen. 348 Hm müsen überwunden werden.

Irgendwann kommen wir endlich an, machen das obligatorische  Gipfel-Foto und freuen uns auf die Abfahrt. Aber weit gefehlt - der Weg ist so steil und mit Geröll übersät, dass hier eine exzelente Fahrtechnik vonnöten wäre. Außerdem führt er direkt an der Abbruch-Kante entlang. Jeder Fahrfehler würde einen unkontrollierten Sturz in die Tiefe nach sich ziehen, also schieben wir auch bergab.

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Unser erster Pass - der Fimberpass auf 2608m

Ich laufe mir Blasen an den kleinen Zehen, weil der Fuß im Bikeschuh durch die ungewohnte Bewgung scheuert. Ist mir bisher noch nie aufgefallen. Unterwegs werden wir von einer Schweizer Truppe überholt, die fehlende Fahrtechnik durch Voll-Federung ersetzt. Einige Teilnehmer fahren weit über ihrem Limit - eigentlich unverantwortlich vom Guide. Irgendwann wird der Weg auch für uns fahrbar und wir cruisen eine breite Schotterstraße hinab.

Unterwegs tanken wir unsere Wasservorräte an einer Hütte auf, deren Besitzer nicht da sind - in der stillen Hoffnung, dass darauf keine horrende Strafe steht. Die Schweizer sind in solchen Belangen eher eigen. Direkt vor Vna zweigt vom Schotterweg ein steiler, aber meist fahrbarer Trail ab. Kurz vor dem Ende des Tails rollt Chrissi zu langsam über einen Stein, verhakt sich, und macht einen Abflug über den Lenker. Aber zum Glück ist bis auf einige blaue Flecken nichts Schlimmeres passiert.

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Chrissi bei der Fimberpass-Abfahrt

Wir beschließen jedoch hier im Val Sinestra eine Pause zu machen, um neue Kräfte zu tanken. Es gibt Gulaschsuppe und ein paar kühle Getränke (leider kein alkoholfreies Weizen). Die Pause möchte ich auch nutzen, um endlich ein Zimmer für heute abend zu reservieren.

Zumindest versuche ich es, denn die aus dem Internet herausgesuchte Nummer des Fremdenverkehramts erweist sich als Privatnummer. Alledings kann mir die nette Dame am anderen Ende der Leitung die richtige Nummer nennen - sonst hätten wir hier ganz schön alt ausgesehen.

Bei meinem Anruf bekomme ich eine ganze Latte von freien Hotels genannt. Rückfragen ergeben allerdings, dass alle Hotels bereits ausgebucht sind - wohl doch zu viele Biker zur gleichen Zeit unterwegs. Also noch mal im Amt anrufen. Jetzt verspricht mir die Dame dort, eine Unterkunft zu finden, und mich zurück zu rufen - Schweizer Service ganz groß geschrieben, bin beeindruckt.

Ein paar Minuten später kommt auch der erlösende Anruf. Wir haben eine Übernachtungsmöglichkeit in Santa Maria im Münstertal. Alles Andere ist leider ausgebucht. Beruhigt rollen wir bergab in Richtung Sent auf einem herrlichen Panoramaweg, der uns einen permanenten Blick auf blau glitzernde Stauseen und die beeindruckende Berglandschaft erlaubt. Sent ist ein fast schon italienisch anmutendes Dörfchen mit urigen Häusern und engen Gassen. Hier halten die Autofahrer noch mitten auf der Straße, um sich zu unterhalten - auch wenn sie damit die Straße blockieren.

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Pass da Costainas 2251m - müde aber geschafft

Weiter geht es nach Scuol und von da aus stetig bergan - zunächst auf Teer, und später auf Schotter bis nach S-charl. Wir sind schon 7 Stunden im Sattel und Chrissis Beine versagen langsam ihren Dienst. Der Hintern tut uns beiden weh, so dass wir die Landschaft gar nicht richtig genießen können - obwohl wir gerade eine unwirkliches, totes Tal passieren - fast schon sureal.

Es vergeht (gefühlt) unendlich viel Zeit, bis wir S-charl erreichen. Am Dorfbrunnen stärken wir uns mit ein paar Riegeln und tanken Wasser nach. Es ist bereits 17 Uhr und wir müssen noch über den Pass da Costainas. Wenn ich Chrissi anschaue, sehe ich dass sie kräftemäßig am Ende ist. Trotzdem entscheide ich mich für die Weiterfahrt.

Auch wenn es mir voll weh tut, sie so leiden zu sehen - wenn wir heute nicht über den Pass fahren, müssen wir morgen zusätzliche 400 Höhenmeter bewältigen. Das würde die morgige Etappe zu einer Hammer-Tour machen.

Und wieder einmal zeigt Chrissi ihr Kämpfer-Herz und kurbelt zunächst auf Schotter und später auf einem komplett fahrbaren Trail hinauf zum Pass. Vom Gipfel aus surfen wir im Sonnenuntergang an Kühen vorbei in Richtung Lü. Eine unbeschreibliche Stimmung. Von Lü aus ist es nur noch ein Katzensprung bis zu unserem Hotel (zumindest auf der Karte).

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Ortseinfahrt in Lü - gibt es wirklich

Aber der Weg zieht sich, so dass wir erst um 19:48 Uhr Santa Maria erreichen. 12 Stunden im Sattel, wir wollen nur noch duschen, essen und schlafen. Beim Essen treffen wir Arne wieder, den wir bereits auf der Heilbronner Hütte kennen gelernt haben. Sein Freund und Mitfahrer Marcel musste die Tour wegen Knie-Problemen abbrechen.

Auch Arne will morgen heim, denn alleine fahren kommt nicht in Betracht. Wir unterhalten uns noch ausgiebig und stellen fest, dass er viele unserer Ansichten zum Alpencross teilt - echt schade dass er ihn diesmal nicht beenden kann.

Wir schlemmen und essen noch ein Eis zum Abschlluss. Abends massiere ich noch Chrissis vollkommen verhärtete Beinmuskulatur und hoffe dass es morgen besser geht..

Gedanken zum Tag:

  • mein Fahrrad gewöhnt sich daran, dass es trotz seines hohen Alters mit mir zusammen (auch nicht mehr so taufrisch) über die Alpen muss. Zumindest sind die Zicken der ersten Tage verschwunden.
  • Man sollte nicht 4 Euro am Flaschenhalter sparen, wenn sich dadurch die Trinkflasche bei hohen Geschwindigkeiten selbständig macht.
  • der Kopf ist oft stärker als der Körper
  • und es gibt doch Kampf-Hasen
tag3-AbfahrtFimberpass
Trotz Schieberei unheimlich beeindruckend - die Abfahrt vom Fimberpass

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