AbfahrtRabbijoch
Die flowige Abfahrt von der Haselgruber-Hütte
(Foto: Roman)

Von der Haselgruber Hütte über Madonna di Campiglio zur Albergo Brenta

Als wir aufwachen, scheint bereits die Sonne - kein einzige Wölkchen am Himmel - vom gestrigen Gewitter keine Spur mehr. Kleines Manko der Hütte - es gibt "nur" typisch italienisches Weißbrot, kein Müsli und auch kein dunkles Brot. Für mich generell kein Thema, aber für meine beiden Mitfahrer scheinbar eine mittlere Katastrophe. Da helfen auch der gigantische Schinken, und die lecker gewürzte Salami nichts. Da fragt man sich langsam, wie die Italiener mit derart karger Kost überhaupt Leistung bringen können. Zum Glück geht es zunächst bergab. Direkt an der Hütte beginnt der schmale Trail ins Tal. Schön an der Bergflanke entlang, wenig Steine, ein wahr gewordener Biker-Traum. Leider haben wir den Trail gestern Abend anscheinend zu sehr bezüglich Gefälle, Wegbeschaffenheit und möglicher Unfahrbarkeit analysiert. Diese Analyse hat zur Folge, dass Stefan - der eigentlich ein brauchbarer Abfahrer ist - heute fährt, als hätte er Windeln an. Könnte natürlich auch die fehlende Energie vom Weißbrot-Frühstück sein, oder die Tatsache, dass wir gestern Stefans Fahrstil, als eher "kraftvoll" und weniger "elegant" bezeichnet hatten - auf alle Fälle wird heute an jeder fahrbaren Passage gestoppt.

Bevor ich hier dösdaddelig werde, übernhme ich kurzerhand die Führung und gleite den absolut sagenhaften Trail in der aufgehenden Sonne entlang - der erste Teil wirklich für jeden! Biker fahrbar. Irgendwann treffen wir auf eine Wanderer Gruppe, die uns erklärt, dass der Trail weiter unten nicht mehr fahrbar ist, und wir lieber den Schotterweg benutzen sollen. Ja - auch wir haben auf der Karte gesehen, dass der Trail im mittleren Teil ein wenig steiler wird. Julia und Stefan sind geneigt, den Wandersleuten zu glauben, aber ich pfeife mal auf deren Aussage und stürze mich schon mal den Trail hinunter. Dies wären nämlich die allerersten Wanderer, die real einschätzen könnten, was man mit einem Mountainbike alles fahren kann (halbwegs brauchbare Fahrtechnik vorausgesetzt). Mein Wagemut wird belohnt, denn der Trail ist zwar sehr adrenalinlastig, aber zu 100% fahrbar - und definitiv die bisher allerbeste Abfahrt auf dem gesamten Cross. 

Schöne Stufen, nur selten stark verblockt, moderate Kehren. Lediglich die entgegenkommenden Wanderer bremsen den Flow - obwohl die Meisten von ihnen Platz machen und uns im Vorbeifahren noch freundlich grüßen. Viele bleiben stehen, und schauen zu, ob wir uns wirklich fahren trauen. Was wir natürlich tun - auch Stefan fährt den kompletten Trail - Julia zumindest viele Passagen - geht doch. Gefühlt viel zu früh ist das Spektakel zu Ende. Ein zufriedenes Grinsen bleibt aber bis ins Städtchen Male, wo wir uns auf dem belebten Marktplatz einen Espresso in der strahlenden Sonne gönnen. Wie fast immer dehnt sich unsere "schnelle" Espresso Pause auf 25 Minuten aus - die Planung von gestern abend ist damit schon wieder hinfällig.

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Verdiente Espresso-Pause in Male - immer noch grinsend
nach der coolen Abfahrt (Foto: Julia)

Nach der Pause beginnt der Aufstieg nach Madonna di Campiglio. Für Stefan ist es wichtig, dass wir um 13 Uhr Mittagspause machen, Julia ist permanent nur mit dem Höhenprofil und den noch zu fahrenden Höhenmetern beschäftigt, die sie bis Mittag hochstrampeln muss. Das Abenteuer Alpencross wird heute auf reine Zahlen, Daten und Fakten reduziert. Hier fehlt mir der eigentliche Gedanke einer Alpenüberquerung - der Spirit. Wo bleibt denn das Abenteuer, die Freude über einen unbekannten Weg, das schöne Gefühl, wenn einem vor Anstrengung die Beine brennen, die Sonnenstrahlen leicht blenden, das leise Geräusch der Kette? Anstatt dessen werden lieber jede Sekunde die Höhenmeter runtergezählt und die Zeit bis zur Mittagspause angesagt - ich bin leicht genervt...

Die Auffahrt nach Madonna hat es in sich. Nicht besonders steil, aber mit losem Untergrund versehen. Da für den Bau einer Wasserleitung der Schotterweg komplett gesperrt ist, müssen wir sogar durch einen Bauzaun durch und unsere Fahrräder über Geröllhalden hieven. Julia hat heute super Beine - ist immer höchstens 2 Minuten hinter uns, obwohl ich heute am Limit fahre, aber dadurch dass wir immer vorfahren, fühlt sie sich von uns gehetzt und kann nicht mehr - was sie uns auch unmissverständlich wissen lässt. Also stelle ich mich in den Dienst der Gruppe und mache Schlusslicht. So klappt der Aufstieg zwar deutlich besser (was wiederum dafür spricht, dass der Kopf das Entscheidende ist), aber auch leichte Trail-Abfahrten werden trotzdem geschoben. Julia und Stefan stecken im Mittagsloch - vielleicht doch das Weißbrot zum Frühstück? - und können sich nicht mehr konzentrieren. Also lasse ich ein paar richtige schöne Trails aus, die ich von unserem ersten Alpencross noch kenne - so macht es keinen Spaß. Nun bin ich richtig genervt...

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Koplettsperrung der Auffahrt nach Madonna - für uns ein
umgehbares Hindernis (Foto: Julia)

Wir machen Rast an den Wasserfällen, die ich auch bereits vom ersten Cross kenne. Leichter Wehmut stellt sich ein, weil meine Frau heute nicht mit dabei ist. Trotzdem muntert sie mich aus der Ferne auf, so dass ich nach der Pause zumindest wieder Lust habe, weiter zu fahren. Wir nehmen natürlich wieder einen anderen Weg, als das GPS anzeigt, weil der Wirt uns vor unzähligen Schiebepassagen warnt. Und der Wirt hat sicherlich viel mehr Ahung als die Wanderer von heute früh ;-). Dadurch verpassen wir zwar ein paar wirklich schöne Wurzel-Trails, aber das ist nun auch schon wurst - ich bin die Trails zumindest schon mal gefahren, und an epische Tragepassagen kann ich mich nicht erinnern.

Der Weg bis zum Lago di Val d' Agola hat eine angenehme Steigung und festen Schotter - dadurch kommt das ganze Team problemlos hoch. Kurze Pause - den schönsten Blick der Tour genießen, und schon beginnt die Schiebe-Passage über den Bären-Pass. Die hat es tatsächlich in sich und kostet einige Körner. Stefan bietet sogar an, Julias Rucksack zu übernehmen - was sie allerdings aus dem ersten Impuls heraus ablehnt. Später wäre sie nicht abgeneigt gewesen, aber ein erneutes Angebot unsereseits bleibt wohl aus. Irgendwann haben wir den Aufstieg geschafft und machen uns schnaufend an die Schotter-Abfahrt. Stefan legt sich in einer Schotterkurve gleich hin und holt sich einen blutigen Unterschenkel; Julia ist so fertig, dass sie mit 12km/h um jede Kurve schleicht. Irgendwann schaffen wir es doch noch bis zum Albergo Brenta. Wir putzen kurz die Bikes, und genießen die Graupensuppe und den obligatorischen Wein. Unsere Klamotten müssen wir doch von Hand waschen, denn unsere Hoffnung auf eine Waschmaschine hat sich leider nicht erfüllt. Spätestens nach dem Abendessen habe ich meine schlechte Laune wieder abgelegt und denke immer noch grinsend an die coolen Abfahrten...

Gedanken zum Tag:

  • moderne Technik ist Fluch und Segen zugleich
  • eine zu intensive Vorbereitung kann auch blockieren
  • es lebe die Weisheit des Alters ;-)
  • irgendwie kommen wir alle rüber

 

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Das Brenta-Panorama vor dem Bärenpass (Passo Bregn de l'Ors) is unglaublich schön
(Foto: Stefan)
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Anstrengende Auffahrt nach Madonna die Campiglio - irgendwie trotzdem schön (Foto: Julia)

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